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Peter Hauenschilds „tägliche Tätigkeit“ des Zeichnens.
Zu einer Werkauswahl von 1986 bis 2012.
Martin Hochleitner

Das vorliegende Buch erscheint im Frühjahr 2012. Es erweist sich als die bislang umfangreichste Zusammenstellung von Zeichnungen des österreichischen Künstlers Peter Hauenschild. Zeitlich spannen die ausgewählten Arbeiten einen Bogen über 25 Jahre. Die frühesten Blätter datieren aus dem Jahr 1986. Angesicht ihrer eruptiven Gestaltung und ihrer chiffrierten figürlichen Ikonographie ist man zunächst versucht, gerade diese ersten Zeichnungen als symptomatischen Ausdruck für die neoexpressive Kunst der 1980er Jahre anzusehen. Hauenschilds Formenvokabular und Bildgrammatik entsprachen weitgehend der damals omnipräsenten neuen Malerei bzw. neuen Zeichnung. Tatsächlich lagen die Wurzeln der frühen Arbeiten jedoch außerhalb derartiger Zuordnungen und stießen auch durch jeglichen Zeitgeist der Zeichnung in den 1980er Jahren hindurch.
1958 in Linz geboren, waren viele frühe Erinnerungen Peter Hauenschilds mit einer intensiven Kindheit und Jugend im Gasthaus der Großmutter in Zwettl an der Rodl und mit der künstlerischen Neigung des Vaters verbunden. Bis heute blitzen entsprechende Lebenserfahrungen als anekdotische Bildzitate in Zeichnungen auf.
Erste Berührungspunkte mit der Linzer Kunst- und Kulturszene stellten sich für Hauenschild am Ende der Schulzeit in den späten 1970er Jahren ein. Nach anfänglichen Verbindungen zum Landestheater ergaben sich wichtige Kontakte zu den Künstlern Dietmar Brehm, Anselm Glück, Rudi Hörschläger, Robert Oppeneigner, Hans Priesner und Herbert Schager. Besonders anregend erlebte Hauenschild auch den Austausch mit Othmar Karnig. Für kurze Zeit wurde dessen Bauernhof in Kefermarkt zu einem inspirierenden Ort intensiven, erstmals auch auf die Landschaft ausgerichteten Zeichnens. Im Austausch mit Wolfgang Georgsdorf, Gabi Kreczi und Gotthard Wagner reifte schließlich auch der Entschluss für ein Studium an der Linzer Kunsthochschule.
1982 trat Peter Hauenschild in die von Laurids Ortner geleitete Meisterklasse für „Visuelle Gestaltung“ ein. StudienkollegInnen waren u.a. Sabine Bitter, Leo Schatzl, Friedrich Stiper, Helmut Weber und Rainer Zendron. Im Gegensatz zu den anderen Lehrangeboten an der Linzer Kunsthochschule war die aus der sogenannten „Grundklasse“ hervorgegangene Studienrichtung Ortners weder auf eine bestimmte Kunstgattung (z.B. Bildhauerei, Malerei, Grafik) noch auf einzelne Materialien (z.B. Keramik, Textil, Metall) ausgerichtet. Stattdessen förderte Ortners Ausbildungsprogramm bei seinen Studierenden eine interdisziplinäre Haltung für die Umsetzung von konzeptorientierten Projekten. Obwohl in der Klasse gerade Fotografie und Video eine immer wesentlichere Rolle spielen sollten, erfuhr auch Hauenschilds zeichnerische Grunddisposition entscheidende Impulse. Einerseits vermittelte Ortner ihm die Form der projektorientierten Zeichnung zwischen Entwurf und konzeptuellem Prozess. Andererseits führte die Fülle an Gruppenarbeiten zu einer Offenheit gegenüber Kollaborationen und Formen multipler AutorInnenschaft.
Das Studium schloss Hauenschild 1987 ab. Seine Diplomarbeit bestand aus großformatigen, in Öl ausgeführten Porträts von Mitgliedern der Stadtwerkstatt, in deren Umfeld sich ebenfalls eine maßgebliche Erweiterung des Werkbegriffs Zeichnung für den Künstler ergeben sollte.
Seit den späten 1970er Jahren verfolgte das Kollektiv der Stadtwerkstatt ein kultur- und gesellschaftspolitisches Konzept, das vor allem im Zugriff auf Medien und neue Technologien absolut experimentell und innovativ operierte. Hauenschilds Mitarbeit fiel ab 1988 mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Computern und der Erprobung erster Programme auf ihre künstlerische Anwendungsmöglichkeit zusammen. In dieser offenen Laborsituation entstanden ab 1989 auch die ersten „elektronischen Zeichnungen“, die Hauenschild als „am Bildschirm realisierte Handzeichnungen“ bezeichnete. Im Sinne der technischen Möglichkeiten folgten schon bald Animationen von Zeichnungen und hieraus erste Filme, die sich zu einer bis heute – wiederholt auch mit anderen KünstlerInnen wie Franz Blaas – weitergeführten Werkgruppe entwickeln sollten.
Parallel zu dieser medialen Erweiterung war die „klassische“ (und eben auch in diesem Buch vorgestellte) Zeichnung für Hauenschild ungebrochen aktuell. Ergebnisse der „täglichen Tätigkeit“ standen auch im Mittelpunkt seiner ersten Ausstellungsaktivitäten, die schon während der Studienzeit eingesetzt hatte. Gemeinsam mit Leo Schatzl war er 1985 von der Linzer Galerie Grüner präsentiert worden. 1986 sollte eine Ausstellung in der Galerie Ariadne in Wien folgen. Beide Einrichtungen hatten im boomenden Kunstmarkt der frühen 1980er Jahre auf Positionen der „Neuen Wilden“ gesetzt und einen Prozess begleitet, der – in Linz auch maßgeblich von Peter Baum in der Neuen Galerie der Stadt Linz geprägt – mit einer „neuen österreichischen Kunst“ in Verbindung gebracht wurde. Neu waren die Namen einer jungen Generation von KünstlerInnen. Neu war die Ausprägung von Stilmerkmalen eines spontanen Umgangs mit Farben und Formen. Neu waren Bilderfindungen einer höchst subjektiven Art figürlicher Malerei und Zeichnung.
So erwies sich letztlich auch der Titel „Neue österreichische Zeichnung“ symptomatisch für eine Ausstellung, die 1987 in São Paulo stattfand und Zeichnungen von Peter Hauenschild gemeinsam mit Arbeiten von Dietmar Brehm, Franz Hitz und Herbert Schager vorstellte. Der internationale Aufritt der vier Linz Künstler war auf Initiative von Peter Hauenschild, der sich zu diesem Zeitpunkt durch persönliche Kontakte mehrfach in Brasilien aufhielt, zustande gekommen.
Weitere Auslandstationen erbrachten in diesen ersten Jahren nach dem Studium weitere prägende Erfahrungen. Eine war mit dem 1996 verstorbene Othmar Zechyr verbunden. Hauenschild lernte den 20 Jahre älteren Zechyr Rahmen einer Ausstellung in New York kennen und unterstützte ihn anschließend bei verschiedenen Aktivitäten, etwa bei der Personale „Ekstatische Bauten“ in der Landesgalerie Linz 1988. Bei allen formalen uns stilistischen Unterschieden zwischen beiden Künstlern war Hauenschild vor allem von zwei Überzeugungen Zechyrs beeindruckt: Eine war die absolute Hingabe an die Kunst. Die andere war die Besessenheit zu zeichnen.
Eine weitere – durch ein Stipendium des Bundesministeriums ermöglichte – Auslandsstation in Madrid sollte 1989 schließlich auch mit dem Beginn einer neuen Werkgruppe an Zeichnung verbunden sein. Nachdem sich Hauenschild schon im Vorfeld intensiv mit den großformatigen Zeichnungen im Frühwerk des britischen Künstlerpaares Gilbert & George beschäftigt hatte, lieferte der Besuch von Georg Ritter, einem Linzer Künstler und Kollegen aus der Stadtwerkstatt, den Impuls, vorausgegangene Experimente zu einem gemeinsamen Arbeiten auf Papier zu bündeln. Schon in Madrid entstanden innerhalb von drei Wochen die ersten drei großformatigen Zeichnungen. Sie bildeten den Auftakt für Arbeiten, die in den folgenden Jahren zu einer eigenständigen und sehr erfolgreich im nationalen und internationalen Ausstellungbetrieb wahrgenommenen Werkgruppe von beiden Künstlern werden sollten. Parallel ergaben sich auch weitere Kollaborationen beider Künstler im Rahmen der Stadtwerkstatt.
Das gemeinsame Zeichnen erfolgte nicht nur in dem von Hauenschild zwischen 1985 und 1996 genützten Ateliers im Egon-Hofmann-Haus des Kulturrings der Wirtschaft in Linz sowie dem Atelier Georg Ritters in Leonding zwischen 2004 und 2009, sondern vor allem in Form von mehrwöchigen Klausuren, für die sich beide Künstler u.a. nach Berlin, New York und São Paulo sowie nach Italien und Griechenland zurückzogen.
Im Gegensatz zur „autonomen Zeichnung“ Hauenschilds reagierte die „kollaborative Zeichnung“ von Hauenschild Ritter u.a. auf konkrete Bildvorlagen aus Zeitungen und eigenen Fotografien sowie auf Archivmaterialien der Stadtwerkstatt und setzte in ihrer fotorealistischen Transformation einen entsprechenden Diskussionsprozess über Motivauswahl, Bildausschnitt und eventuelle Montagen und Inszenierungen voraus. Wenn es folglich bei diesen großformatigen Arbeiten um eine arbeitsintensive Rückführungen eines kollektiven visuellen Gedächtnissen in individuelle Erinnerungsbilder über einen Prozess des zeitintensiven Zeichnens ging, so sind Hauenschilds kleinformatige Zeichnungen spontane Notationen des Imaginären, ein schnelles Festhalten von Ideen, eine bildliches Umherschweifen zwischen Gefühlen, Assoziationen und Erlebnissen.
Alleine die vorliegende Zusammenstellung von knapp 230 Zeichnungen vermittelt eine obsessive Auseinandersetzung mit der eigenen Individualität. Jedes Blatt stellt letztlich eine Übersetzung eines inneren Zustandes in knappen Bildzeichen dar. Gegenständliches und Figürliches, Landschaftliches und Architektonisches, Tiere und Dinge, Worte und Symbole, Köpfe und Körperteile tauchen teils isoliert, teils in dichten kompositorischen Gefügen auf und stellen Rätsel und Lösung zugleich vor.
Peter Hauenschild ist in seiner gesamten Arbeit ein Zeichner. Obwohl das Medium im Laufe seiner bisherigen Werkbiographie in verschiedenen Kontexten auftaucht und mit unterschiedlichen konzeptuellen Zuordnungen verbunden ist, bildet die Linie den konstituierenden Faktor seiner Arbeit. In ihr manifestieren sich die ganze Breite seines Tuns und – in jedem Strich – eine ungemeine Lust am Bild.

 

 
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